Nur der Sieger bleibt im Geschäft

Die HSG Fichtelgebirge und die HSV Hochfranken brauchen im Derby der Handball-Landesliga am Samstag in Marktredwitz dringend Punkte. Der Gast kommt mit Mut, die Hausherren müssen einige Stammkräfte ersetzen.

Das Leben ist kein Wunschkonzert, möchte man den Handball-Nachbarn aus dem Fichtelgebirge mit auf den Weg geben. Wenn sich die HSG Fichtelgebirge
und die HSV Hochfranken am heutigen Samstag um 16.30 Uhr in Marktredwitz (!) gegenüberstehen, hätten sich beide Lager eine eher bessere Ausgangsposition gewünscht. Sie hängen fest im Abstiegskampf, kommen einfach nicht vom Fleck und müssen punkten, um die Weihnachtspause einigermaßen genießen zu können.

22 12 10 DanielFronkNach diesem mit Spannung erwarteten Landesliga-Derby dürfen die Teams für dieses Jahr erst einmal pausieren. Allerdings endet die Weihnachtspause für die Hausherren eine Woche früher, denn auf sie wartet am 15. Januar noch das Nachholspiel in Regensburg.

"Es ist nun mal, wie es ist", meint Ulli Weber. Der sportliche Leiter der Fichtelgebirgler weiß um die Bedeutung der Partie. Einmal, um der auf sechs Niederlagen in Serie angewachsenen Negativspirale zu entkommen – und natürlich fürs Prestige. Zumindest ein paar Tage lang würden nach einem so dringend benötigenden Sieg mal Ruhe und Besinnung einkehren und die lästigen Fragen an Spieler und Verantwortliche vorerst zumindest verstummen. Denn mit einem Erfolg könnte sich die Truppe von Milan Šedivec sen. bei einem optimal verlaufenden Spieltag auf einen Schlag um drei Plätze nach oben hieven. Derzeit liegt sie mit 4:14 Punkten zwei Pluszähler hinter dem nördlichen Nachbarn zurück.

Die 45 Gegentore, die sie am vergangenen Wochenende in Nürnberg kassiert hat – niemand kann sich an ein ähnliches Desaster erinnern -, liegen allen noch schwer wie Blei im Magen. Zumal die Truppe nicht zum ersten Mal wieder in der Schlussviertelstunde völlig die Nerven verlor, obwohl sie zuvor beim Favoriten großartig dagegengehalten hatte. "Wir müssen halt mal die ersten 45 Minuten ans Ende setzen", drückt sich Weber ironisch aus, "und uns die Kräfte vielleicht ein bisschen besser einteilen." Der ausgedünnte Kader sei aktuell wohl die Hauptursache für den Leistungsschwund bei gleichzeitig nachlassender Konzentration. Alternativen wären auch heute Nachmittag gefragt, sind aber nicht vorhanden. Daniel Bralic ist vergangene Woche Papa einer Tochter geworden, steht nicht zur Verfügung. Und die sehnlichst erhoffte Rückkehr von Trainersohn und Spielmacher Milan Šedivec jun. fällt mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Wasser: "Wenn er fünf Minuten auflaufen kann, wäre das ein Wunder", schildert Ulli Weber seinen Eindruck aus dem Training: "Milan hat es probiert, klagt aber noch über Schmerzen. Stand Mittwoch geht gar nichts."

Und so muss die HSG mit dem Kader über die Runden kommen, der zuletzt in Nürnberg zumindest drei Viertel der Spielzeit die Partie offen hielt. Also auch mit den altgedienten Sebastian Wölfel und Andre Zitzlmann als Alternativen, die den anderen ein paar Verschnaufpausen ermöglichen sollen. Von den jungen Akteuren bei der Ausgangslage Wunderdinge zu erwarten, wäre vermessen. Trotzdem haben Jan Koristka, Maximilian Schlitter, Johann Zißler und Simon Keltsch schon gezeigt, dass sie ins Team drängen. Einziger personeller Lichtblick: Torhüter Miroslav Broško hat sich nach überstandener Angina wieder zurückgemeldet.

"Ein schmutziger Sieg, mehr muss es nicht sein", drückt Weber seine Erwartungen nach unten. "Es wird sicher nichts fürs Auge, aber zumindest etwas für die Region." Die Jungs seien auf alle Fälle heiß, so sein Eindruck aus dem Training. Auch das Zuschauerinteresse scheint groß, eine proppenvolle Marktredwitzer Dreifach-Sporthalle wohl garantiert angesichts der sportlichen Brisanz. Nur der Sieger bleibt für die nächste Zeit im Geschäft. "Wir benötigen auf alle Fälle aus unseren beiden Vorrundenspielen noch drei Punkte, um unten dranzubleiben", lautet die Rechnung des sportlichen Leiters. Gegen wen, ob gegen die HSV Hochfranken oder die SG Regensburg II, sei ihm letztendlich egal. Die Chancen, dass dieser Wunsch daheim in Erfüllung geht, dürften deutlich höher stehen.

Die HSV Hochfranken, die auch nur eines ihrer letzten acht Spiele gewann und ebenfalls gegen Nürnberg die 40-Gegentore-Marke knackte, dagegen winkt die Riesenchance, sich erst einmal ans untere Tabellen-Mittelfeld anzuheften. Und sie hat vor Wochenfrist mit einer ausgezeichneten Vorstellung gegen eben diese Regensburger bei der unglücklichen 23:24-Niederlage die Hoffnung genährt, im letzten Spiel des Jahres nicht leer auszugehen. Und auch die Partien zuvor mit dem Sieg in letzter Sekunde beim TV Erlangen-Bruck II und die Niederlagen mit lediglich drei Toren Differenz gegen die Spitzenteams HC Erlangen III und HSG Lauf/Heroldsberg geben Daniel Wiedel, seit zwei Wochen alleine auf der Bank verantwortlich, das Gefühl, mit der Spielgemeinschaft von TV Rehau, TV Schönwald und TS Selb auf dem richtigen Weg zu sein.

Nach einem guten Saisonstart mit zwei Siegen folgte eine Durststrecke mit sieben Niederlagen – aber im Laufe dieser Wochen hat sich das Team stabilisiert, auch weil es wieder nahezu komplett einlaufen konnte. "Das ist heute eine ganz andere Mannschaft", freut sich Wiedel. "Die haben richtig Bock". Beleg dafür: Nach der Niederlage räumten sie in durchaus positiver Stimmung die Schönwalder Halle auf.

"Nun müssen wir einfach so weitermachen", lautet der schlichte Wunsch des Trainers. Das heißt: Tacittin Gündüz im Tor sollte, wie vor Wochenfrist, deutlich über zehn Bälle halten. Die Abwehr mit einem vorgezogenen Störer sollte ähnlich gut stehen wie gegen Regensburg. Stefan Stöckert hat langsam in die Rolle des Kreisläufers hineingefunden. Macht er mal Pause, so soll Frederick Dietel die Lücke füllen.

Auch Dominik Krauß auf der Linksaußenposition kann eine der stärksten Waffen sein, wenn er nicht, wie jüngst, in der Endphase drei Fehlwürfe zu verzeichnen hat. Stabilisiert hat sich Philipp Mocker, der aus dem Rückraum deutliche Akzente gesetzt hat. Beide sind besonders motiviert. Letzterer hat bei der HSG einige Jahre in der Landesliga gespielt, Ersterer stammt aus Wunsiedel. Ein wichtiger Faktor im HSV-Spiel ist ferner Julius Meinel – nicht nur als Störer, sondern auch als wieselflinker Angreifer, der sich schon einmal durch eine kleine Lücke in der Abwehr trickreich durchsetzt. Und auf Rechtsaußen traf in der Endphase Tim Herkt plötzlich drei Mal – auch auf ihn muss die HSG sicherlich aufpassen. "Ich will bewusst nichts verändern an der zuletzt starken Manschaft", sagt Wiedel, der bis auf Markus Schörner seinen kompletten Kader in die Partie schicken kann.

Der Trainer, der selbst in der Jugend bei der HSG Fichtelgebirge gespielt hat, weiß um das "Feuer", das in der heutigen Partie steckt. "Es wird sicher einigermaßen ruppig werden." Doch die eingesetzten Schiedsrichter Förster/Ludwig haben bei ihren Auftritten meist gute Kritiken erhalten. "Wir sind
jedenfalls vorbereitet und wissen, was uns erwartet", sagt Wiedel, der sich etliche Spiele des Nachbarn angeschaut hat. "Wir haben Respekt vor der HSG und gehen mutig in das einzige wirklich echte Derby in der Handball-Landesliga."

Am 27. Oktober 2018 traf die HSG in Marktredwitz letztmals auf die HSV – und feierte einen 35:24-Sieg. Unser Bild zeigt Daniel Fronk (HSG)
beim Torwurf; links HSV-Akteur Stefan Stöckert. Foto: Peter Perzl

Rund um das Derby

Vorspiel
Vor dem Herrenspiel empfangen die Damen der HSG in der Bezirksoberliga die TS Coburg. Anpfiff ist um 14.30 Uhr in Marktredwitz. Um 18.30 Uhr treffen die zweiten Herrenmannschaften der HSG Fichtelgebirge und der HSV Hochfranken in der Bezirksoberliga aufeinander. Am Sonntag, ab 11 Uhr, ist in
Wunsiedel der HSG-Nachwuchs im Einsatz.
Spendenaktion
Die HSG Fichtelgebirge führt zum Derby eine Spendenaktion zu Gunsten des schwerstbehinderten Finn Moczigemba aus Bad Alexandersbad durch, der einen Spezialbus zum Transport benötigt. Der Erlös aus den Einnahmen des Essen- und Getränkeverkaufs, sowie Spenden sollen diese Anschaffung unterstützen.
Bericht: WL

Quelle: Frankenpost Ausgabe Fichtelgebirge vom 10.12.22, Sport aus der Region, Bericht: Peter Perzl und Wolfgang Neidhardt, Foto: Peter Perzl