Die Fichtelgebirgs-Handballer erteilen künftig externen Verstärkungen eine Absage. Sie richten sich auf weitere Jahre in der Bezirksoberliga ein und setzen auf den eigenen Nachwuchs. Wer aber folgt auf Coach Milan Sedivec?
Drei Spieltage vor Ende ist eine überraschende Personal-Entscheidung bei der HSG 2020 Fichtelgebirge gefallen: Die Handballer verzichten künftig auf die Dienste von Trainer Milan Šedivec, für den es nach seiner Wiederverpflichtung kein drittes Jahr beim Bezirksoberligisten mehr geben wird. Gleiches gilt für dessen Sohn Milan Šedivec junior. Die Mannschaft wurde über den Schritt bereits informiert.
Sportlich, erklärt der Vorsitzende des VfL Wunsiedel und Torjäger Johannes Wippenbeck, stehe die HSG nach dem Abstieg und trotz des Verzichts auf einige Leistungsträger vor einem Jahr auf einem nicht unbedingt erwarteten guten zweiten Tabellenplatz. Das zeige doch, dass es "auch ohne externe Verstärkung" funktionieren kann. Obwohl mit Šedivec jun. nun zusätzlich der Spielmacher wegfällt. Da aber der Entschluss stehe, noch stärker auf Aktive aus dem eigenen Umfeld zu setzen, sei dieser Schritt nur ein logischer. Dazu kämen "finanzielle Gründe", die das vierköpfige Führungsgremium aus VfL Wunsiedel und TVO Marktredwitz (die Vereine bilden zusammen die HSG) zu diesem Entschluss bewogen hat. Immerhin spare sich der Verein damit die
drei Mal in der Woche anfallenden Reisekosten (130 Kilometer einfach/Training und Spiel) aus Pilsen.
"Es war ein offenes und ehrliches Gespräch unter vier Augen2, das bereits vor zwei Wochen stattgefunden habe, um dem Coach frühzeitig die Möglichkeit zu geben, sich neu zu orientieren. Trotzdem wirft Wippenbeck ("so ehrlich müssen wir zueinander sein") dem Trainer vor, dass es ihm "nicht gelungen" sei, "junge Spieler zu entwickeln" und ihnen mit mehr Einsatzzeiten das Vertrauen zu schenken. "Das haben wir doch vermisst!". Zumal er ja vom Verein tabellarisch keine Vorgabe erhalten habe und frei entscheiden konnte. Tatsächlich brachte Šedivec Youngsters, wie Janis Lichteblau, Konstantin Wuttke (beide noch A-Jugend), Johann Zißler oder Simon Keltsch oft erst dann, wenn der Vorsprung entsprechend hoch war. Das erklärt ein wenig, warum meist hohe Führungen noch erheblich zusammenschmolzen oder der Sieg in Gefahr geriet. Trotzdem: "Die Jungen müssen spüren, dass der Trainer ihnen etwas zutraut und somit Verantwortung mitgibt", betont der HSG-Chef. Das sei in der Vergangenheit viel zu selten der Fall gewesen.
Zur Ehrenrettung des Trainers, ergänzt der 31-Jährige, sei gesagt, dass gerade die beiden Jugendlichen nicht immer bei den Herren trainieren konnten und somit nicht unter dem ständigen Fokus von Šedivec standen, da sie auch für den Nachwuchs im Einsatz waren. Auf die Zukunft gesehen sei es zudem nicht gewollt, dass er, also Wippenbeck (aktuell 128 Saisontore), und Konstantin Burger (109) permanent die Hauptlast trügen. Beide Routiniers führen gemeinsam die Torjägerliste in der BOL an. Zum Herren-Kader zählen werde aus dem eigenen Nachwuchs künftig auch der talentierte Moritz Schlitter, Sohn des früheren Mannschaftsspielers Torsten Schlitter. Dessen älterer Bruder Maximilian Schlitter hat bereits den Schritt vollzogen.
Verlassen wird den Verein auch Filip Kaiser, der zweite Torwart, nach nur einem Jahr. Damit spielt ab der neuen Saison kein Akteur aus dem Nachbarland mehr für die HSG 2020 Fichtelgebirge. Ein Kader ohne externe Verstärkungen sei "mindestens seit zwei Jahrzehnten" nicht mehr der Fall gewesen. Wippenbeck hofft trotzdem, in den nächsten drei, vier Jahren in der Bezirksoberliga bestehen zu können. Sollten sich danach sportliche Perspektiven ergeben, könne man "vielleicht mal" wieder über eine punktuelle Verstärkung nachdenken. "Augenblicklich fühlen wir uns richtig wohl in der Bezirksoberliga.“
Ganz entscheidend sei es jetzt einen Trainer mit dem entsprechenden Anforderungsprofil – "junge Leute zu formen und ihnen entsprechend viel Spielzeit und trotzdem Erfolgserlebnisse zu ermöglichen“ – zu finden. Mit "einer Handvoll Kandidaten", die für diese Aufgabe in Frage kämen, würden in den nächsten Tagen und Wochen Gespräche geführt. Dafür wolle man sich auch Zeit nehmen. Namen möchte Wippenbeck augenblicklich keine nennen. Aber auch ihm ist bewusst: "Es wird verdammt schwer, den richtigen Griff zu tun.“
Quelle: Frankenpost, Ausgabe Fichtelgebirge vom 29.02.2024, Bericht: Peter Perzl